Wie in der Kirche! Nichts gegen Religion, aber es geht dort ja um GLAUBEN! Und das ist ok, vollkommen wertfrei. Aber Ernährung sollte keine Religion sein, zumindest nicht, wenn wir mittlerweile 1000de von Studien haben die zeigen, was funktioniert (und wie es funktioniert) und was eben nicht und wir halt nicht mehr einfach nur noch Glauben müssen und über Meinungen diskutieren.
Das Thema ist ja nicht neu, aber gestern schrieb jemand unter einen Artikel bezüglich Depressionen, dass man halt Kohlenhydrate braucht und dass ICH auch welche benötigen würde und man sowieso keine Muskeln ohne aufbauen kann bzw. Kraftsport Kohlenyhdrate benötigt.
Ehm... ehm.... EHM?
Das ist Chris. Chris isst wahrscheinlich weniger Kohlenhydrate als 95% der Weltbevölkerung, hat einen 42er bis 44,5er Arm, je nach Trainingsphase und keine mentalen oder psycho-emotionalen Probleme.
Also erstmal: Ich habe keine Depressionen. Nicht im eigentlichen Sinne. Ich
schrieb einen Instapost dazu, wo ich Studien und Erfahrungsberichte von meinen Patienten teile, die zeigen,
dass man als verletzer Sportler zu Depressionen (oder depressiver Verstimmung bzw. einfach ähnlichen Symptomen) neigt. Wenn ich normalerweise im Sommer draußen oben ohne, mit meinem käseweißen wie gemeißelt aussehenden durch das Sonnenlicht magisch leuchtenden Körper, Handstand mache und auf dem Sportplatz sprinte, dann ist das natürlich geiler als jetzt: Ich bin halt grad verletzt, etwas außer Form und habe leichte Schmerzen und Sorgen um meine sportliche Zukunft: NATÜRLICH tanzt man da nicht Lambada vor Freude,
aber das hat doch nichts mit Kohlenhydraten zu tun? Vor allem auch nichts mit den STUDIEN die ich zeigte. Der Post dient nicht dazu zu zeigen wie schlecht es MIR geht, sondern DIR zu zeigen, dass es normal ist, dass es nicht immer Höhen gibt, dass es normal ist, dass man mal die Motivation verliert, dass Verletzungen halt nicht geil sind und dir einfach nur Einblicke in die Psychologie (und Studien) zu Verletzungen im Sport gibt. Ich zeige meine Schulter-Reha derzeit ÖFFENTLICH und in diesem Kontext gehört die Thematik rund um Stimmung, Sorgen, Ängste und auch Depressionen unweigerlich dazu: Wenn du authentisch mitverfolgen möchtest, was ich mache und wie eine Reha abläuft (und sich anfühlt) dann nutzt es (dir!) nichts, wenn ich dir die heile Welt vorspiele. Es ist normal, dass grad größtenteils kacke ist, aber das vergeht auch, man macht ja trotzdem weiter, zieht die Reha durch und nach dem Regen kommt die Sonne (und der Sonnenbrand meiner käseweißen Haut; ich bin quasi weiß, vor einer weißen Raufasertapete merkst du nur, dass ich davor stehe, weil ich so schöne blaue Augen habe...).
Aber es sind natürlich immer die Kohlenhydrate.
Da gabs dann gestern noch ein Post zum Thema Depressionen im Bezug zum Kraftsport: Also Studie zeigt, dass Kraftsport eine ähnliche Effektstärke hat wie eine medikamentöse Behandlung von Depressionen und das habe ich gezeigt. Nicht um zu zeigen "hey, ich Chris, habe Depressionen und schreibe jetzt nur noch darüber", sondern weil ich bei meinen Recherchen zum ersten Post über diese Studie gestolpert bin und es mega interessant finde
und DIR damit helfen möchte, dass DU etwas für DICH tun kannst, damit es DIR besser geht.Aber ja, Kohlenhydrate, sie sinds natürlich wieder... also wirkt Krafttraining richtig geil bei Depressionen weil: Kohlenhydrate. Oder wie versteh ich das?
Boah ich hasse es manchmal in der Öffentlichkeit "stehen zu müssen". Ich möchte mit diesen ganzen Spasten eigentlich nichts zu tun haben, aber kommen wir zur Kernfrage:
Benötigt denn der Muskelaufbau Kohlenyhdrate?Nein, auf keinen Fall: (Mehr) Kohlenhydrate für Kraftsportler machen dann Sinn – oder können dann Sinn machen –
wenn mehr als 10 Sätze pro Muskelgruppe pro Einheit absolviert werden, mehr als 45min trainiert wird und wenn man mehr als 8 Stunden zuvor nichts gegessen hat (Henselmans et al 2022, King et al 2022). In 39 von 49 Studien (!) gab es ansonsten keinen Zusatznutzen von mehr oder weniger Kohlenhydraten für Kraftsportler und Bodybuilder, ob du sie jetzt Pre-Workout konsumierst oder nicht, solange du nicht mehr als 8 Stunden zuvor gefastet hast. Was man hierbei erwähnen muss: Die Low Carb und Moderat Carb Gruppen solcher Untersuchungen bewegen sich alle meist so zwischen 80 und 350g Kohlenhydraten pro Tag – also das sind meist keine ketogenen Ernährungsweisen. Wobei 350g Kohlenhydrate, also gute 1400kcal, bei einem Sportler der 3600kcal pro Tag verbraucht, nur 38% der Gesamtkalorien ausmacht – also „per Definition“ noch zu den Low Carb Ernährungsweisen zählt (~ alles unter 40%). Hier fangen die Missverständnisse ja oft schon an! Dann heißt es in der Studie Low Carb, aber es sind 350g Kohlenhydrate, was für die meisten ja im Grunde schon High Carb wäre, vor allem für Frauen und Männer die weniger als 80kg wiegen. Ok.
Einige Studien zeigen hingegen – die wenigstens – dass Kohlenhydrate vor dem Kraftsport Sinn machen. Das Problem an vielen solcher Untersuchungen ist unter anderem, dass es meist keine isokalorischen Placebos gibt – heißt: Die eine Gruppe hat akut mehr Energie in Form von Kohlenhydraten aufgenommen als die andere – wir wissen also nicht, ob es zwangsläufig die Kohlenhydrate vor der (hochvolumigen!) Einheit waren oder einfach nur das Mehr an Kalorien! DAS müssen wir ja ZUSÄTZLICH berücksichtigen. Erfährst du halt nicht, wenn du nach dem Abstract aufhörst zu lesen… Interessant war die Studie von Naharudin et al 2020: Da wurde nämlich gezeigt, dass 1,5g Kohlenhydrate pro kg Körpergewicht vor dem Training die Krafttrainings-Leistung in der nachfolgenden Einheit verbesserte! Was man aber hier wissen muss: Die „Placebo-Gruppe“ die nur 29kcal (!) konsumierte, verbesserte die Leistung in ähnlicher Weise – der „Glaube“ oder das „Gefühl“ etwas gegessen zu haben, vielleicht auch der Geschmack, sind eventuell entscheidender als die aufgenommene Energie oder die Kalorien! Geschmack? Witzige Studien gibt es: Alleine ein bisschen Zuckerlösung mit unter 5kcal (!) in den Mund zu nehmen und dann ohne zu schlucken wieder auszuspucken („Mouth rinse“) erhöht die körperliche Leistung (Hawkins et al 2017, Fares et al 2011). Das Thema Placebo möchte ich in diesem Beitrag allerdings nicht besprechen, das wäre auch noch mal ein riesen Fass, wobei ich hier im späteren Verlauf noch interessante Studienergebnisse präsentiere… ich möchte nur aufzeigen: Die Untersuchungen haben gravierende methodische Mängel! Denn wir wissen ja: Ob du glaubst, dass du es schaffst oder nicht, du wirst auf jeden Fall Recht behalten!
Selbst Ernährungsweisen mit quasi „keinen“ Kohlenhydraten, sogenannte ketogene Ernährungsweisen sind gar nicht so kacke wie man denkt – zumindest nicht für Kraftsportler. Siehe hier: Ketogene Ernährungsweisen können bei Kraftsportlern die Muskelmasse erhöhen (Vargas Molina et al 2022)! Oder hier: Eine ketogene Diät verglichen mit der „typischen westlichen Mischkost“ (mit vielen Kohlenhydraten) zeigt innerhalb von gut 10 Wochen einen positiven Effekt auf die Muskelentwicklung, den Körperfettanteil und die Testosteron-Level (Wilson et al 2020, Furini et al 2023, Cignarelli et al 2023). Oder hier: Ribeiro zeigte 2023 zwar, dass die Kohlenhydrat-Gruppe marginal mehr Aufbaute, im Vergleich zur Low Carb-Gruppe, aber nicht bei allen Sportlern war das so; einige Athleten bauten ketogen besser auf. Mirdha konnte 2021 hingegen auch keinen Leistungszuwachs durch ein Carb-Loading beobachten, im Vergleich zu einer „normalen Mischkost“. Interessant bisher? Dann lesen wir mal weiter…
Aber Fußballer benötigen Kohlenhydrate?
Selbst bei Fußballern, welchen oft eine Ernährung von 3-8g Kohlenhydraten pro kg Körpergewicht empfohlen wird – und die vollständige Re-Synthese des Muskel-Glykogens nach einem Spiel bis zu 72 Stunden in Anspruch nehmen kann – scheint auch eine Low Carb oder gar eine ketogene Ernährungsweise im Fußball-Sport eine valide Option zu sein (Paoli et al. 2021). In einer Studie von Paoli gab es für semi-professionelle Fußballer folgendes zu essen: Fleisch, Fisch, Gemüse und Salate, Eier, Käse, Konjac, Blaubeeren, Himbeeren, Nüsse und Samen, Butter, Avocado, Kokos und Oliven sowie deren Öle, sowie Tees, bei etwa 1,8g Protein pro kg Körpergewicht und unter 30g Kohlenhydrate.
In dieser Studie wurde gezeigt, dass es weder einen positiven, noch einen negativen Effekt durch eine ketogene Ernährungsweise auf die genannten Leistungsparameter gab, aber, dass das Körpergewicht und auch das viszerale Fett – bei etwa gleicher Kalorienmenge wie die Kontrollgruppe – reduziert wurde. Die Autoren empfehlen zudem, dass bei einer ketogenen Ernährung bei Sportlern, auf eine ausreichende Hydration, Elektrolytaufnahme und Protein geachtet werden sollte, damit es nicht zur Leistungsreduktion führt; Dinge, die oft nicht genauer kontrolliert werden bei Studien zum Thema.
Dies ist nur ein Auszug aus dem großen (und echt guten!) Artikel: Moderne Sporternährung für Crossfit, Kraftsport, Ausdauersportler und mehr. Auch das Thema schnellere Regeneration, Supplementierung und Prävention, sowie Rehabilitation von Verletzungen wird dort besprochen.